100 Jahre Wendelsteinbahn

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Der Baubeginn der Wendelsteinbahn-Trasse war am 29. März 1910. Die meisten der 800 Arbeiter kamen aus Bosnien oder Kroatien und waren sowohl handwerklich als auch bautechnisch „Profis“. Otto von Steinbeis hatte die Männer in ihrer Heimat rekrutiert, da er dort bereits einige Schmalspurbahnen für den Holztransport gebaut hatte. Für die Arbeiter wurde der Wendelstein während der Bauphase von 1910-1912 zwei Jahre lang zur Heimat. Sie arbeiteten bei jeder Witterung und härtestem körperlichen Einsatz an der Strecke. Selbst im Winter wurde, soweit es möglich war, durchgearbeitet. Jeden Samstag gab es ein Fass Freibier für die Männer. Die Vermessung der Trasse von Brannenburg aus war eine enorme Herausforderung. Ganz bewusst wählten die Ingenieure die felsige Ostseite des Wildalpjochs und der Soinwand, da diese damals lawinensicherer schien als der Hangschuttkegel der Hochsalwand. Am 29. März 1910 begann man mit den Bauarbeiten und der Rodung der Strecke. Die Arbeit am Berg gestaltete sich extrem mühsam. 35.000 kg Schwarzpulver wurden verbraucht. Ansonsten wurde die Trasse dem Berg mit einfachstem Handwerkszeug – Pickel, Schaufel und Schubkarren – abgerungen.

Der Betrieb der Zahnradbahn erforderte elektrische Energie und so wurde bereits 1910 zusammen mit der Zahnradbahn das erste Wasserkraftwerk in Brannenburg gebaut. Die Wendelsteinbahn wurde damit zum Energieversorgungsunternehmen, das schon sehr früh für die Elektrifizierung der beiden Gemeinden Brannenburg und Flintsbach sorgte.

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Archiv Hinz

Bevor die Bahn auf dem Gipfel fuhr, sah es am heutigen Bergbahnhof auf 1724m Höhe noch ganz anders aus. Schon damals war der majestätische Wendelstein der wohl meist besuchte Lieblings-Berg in den Bayerischen Alpen. Obwohl das 1883 errichtete Wendelsteinhaus im Höchstfall 70 Personen unterbringen konnte, kam es nicht selten vor, dass weit über 100 Bergfreunde darin nächtigten. Pächter Johann Krimbacher sorgte nicht nur für eine deftige Brotzeit für die hungrigen Bergwanderer, sondern betreute auch die Wetterstation, die sich gleich gegenüber befand.

Bis zur Jahrhundertwende vor dem Bau der Zahnradbahn präsentierte sich der Gipfel des Wendelsteins noch sehr jungfräulich mit Gipfelkreuz und Kapelle. Die Wendelinkapelle wurde bereits 1718 von dem Bayrischzeller Bauer Georg Klarer (Sixtenbauer) erreichtet, der damit ein Gelübte erfüllte. Das 6m hohe Gipfelkreuz wurde am 25. Juni 1876 von 32 Männern aus Bayrischzell heraufgetragen und aufgestellt. Das Kreuz hielt bis 1969 und wurde dann durch ein neues ersetzt.

Zu dieser Zeit war der Weg vom Wendelsteinhaus zum Gipfel noch beschwerlich! Einige Sicherungseisen sind noch vorhanden und eine Tafel erinnert noch heute an den Steig von damals. Beides ist etwa in der Mitte des heutigen Gipfelweges zu finden.

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Fotos: Wolfgang Hinz

Nach Fertigstellung der Wendelsteinbahn verdreifachte sich die Besucherzahl auf dem Gipfel bereits im ersten Betriebsjahr und stieg in den Folgejahren stetig weiter. Deshalb wurde der zuvor sehr steile und steinschlaggefährtete Gipfelweg an der Südostseite des Berges durch einen gut gesicherten und bequemen Steig über Brücken, die an den Fels angebaut wurden, ersetzt. Dieser Steig war für die damalige Zeit ein technisches Kunstwerk!

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Archiv Hinz

Aber zurück zur Wendelsteinbahn. Am 25. Mai 1912 (einem Pfingstsonntag) wurde die Bahn offiziell dem Verkehr übergeben. In nur zwei Jahren Bauzeit gelang es den Arbeitern die 9,95 km lange Bahnstrecke mit sieben Tunnels, acht Galerien, zwölf Brücken und aufwendigen Stützmauern zu errichten. Zur Jungfernfahrt am 15. Mai 1912 war auch Otto von Steinbeis (ganz rechts) mit einigen renommierten Journalisten dabei. Durch seine Planung und Finanzierung ermöglichter er den Bau der Wendelsteinbahn und überzeugte zudem den bayerischen Prinzregenten Luitpold davon, diese mit elektrischer Energie aus Wasserkraft zu betreiben. Einem alten Zeitungsbericht zufolge war zur Jungfernfahrt entsetzlich schlechtes Wetter (siehe Schirm). Aus dem Wagenfenster schauen v.l.n.r. die Münchner Journalisten Reichold und von Bülow, und, mit Regenschirm, der Erbauer der Zahnradbahn Geheimrat Otto von Steinbeis. Vor der Bahn steht Chefdirektor Eberle links neben einem weiteren Pressevertreter.

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Bis 1961 befand sich der Talbahnhof der Wendelstein-Zahnradbahn am Staatsbahnhof Brannenburg. Zudem hatte ein Waggon in den Anfangszeiten eine Skiablage. Jeder Skifahrer wollte am Talbahnhof der letzte sein, um dann oben am Hang der Erste sein zu können.

In Vorbereitung des Baus der Wendelsteinbahn hatte Otto von Steinbeis 1905 das von Professor Kleiber im Jahre 1882 erbaute Unterkunftshaus am Wendelstein käuflich erworben. 1912 ließ er die sogenannte Sommerhalle errichten, die bis 1965 dort stand, wo sich heute die Bergterasse befindet. Zudem musste das Wendelsteinhaus aufgrund des überwältigenden Andrangs mehrfach erweitert werden.

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Erweiterung des Wendelsteinhauses. Archiv Hinz

Mit dem Bau der Wendelsteinbahn schuf Geheimrad Otto von Steinbeis neue Unterkunftsanlagen. An der Talstation entstand das Bahnhofshotel, an der Bergstation um 1935 das einzigartige anspruchsvolle Wendelsteinhotel. Es wurde an die Südostseite des Gipfelmassivs im Holzschindel verkleideten Stil gebaut und bot 60 Betten in behaglich eingerichteten und für alle Ansprüche ausgestatteten Fremdenzimmern mit Bad, fließendem Wasser, Zentralheizung und Gesellschaftsräumen. Heute befinden sich in diesem Gebäude Privatwohnungen, deren Besitzer meist Bergliebhaber sind und die wunderbare Aussicht auf Inntal, Chiemsee, Kaiser und die Zillertaler Berge zu schätzen wissen.

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Wendelsteinhotel um 1940. Archiv Hinz

Der Wendelstein bot von Beginn an beste Voraussetzungen für Skifahrer, denn der geringe Baumbestand ermöglichte lange störungsfreie Abfahrten mit großen Höhenunterschieden. Die Wendelsteinbahn ersparte zudem den mühseligen Aufstieg. Die Fotos zeigen die damaligen Hänge an der Kesselwand und im Kessel an der Zellerscharte.

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Archiv Hinz

Das „Wunderwerk der Technik“ von Otto von Steinbeis wurde nach 75 Jahren zur vielbestaunten, doch äußerst teuren Nostalgie. Die ständig steigenden Unterhalts- und Personalkosten für Wagen und Lokomotiven aus der Gründerzeit ließen die Betriebsverluste immer höher steigen. Auf Dauer war mit den reparaturanfälligen alten Zuggarnituren kein reibungsloser und vor allem kostendeckender Fahrbetrieb aufrecht-zuerhalten. In den 1980er Jahren war gar von Stillegung die Rede! Nur durch eine grundlegende Modernisierung und der Anschaffung neuer leistungsfähiger Züge war der Weiterbetrieb der ältesten Hochgebirgsbahn Deutschlands noch zu retten. Dank der großzügigen Hilfe des Freistaates Bayern, des Landkreises Rosenheim, der Gemeinde Brannenburg und der Muttergesellschaft Lech-Elektrizitätswerke AG konnte 1987 mit den Modernisierungsmaßnahmen in einer Größenordnung von 17 Mio. D-Mark begonnen werden. Die Wendelsteinbahn beauftragte die Schweizerische Lokomotiv und Maschinenfabrik (SLM) in Winterthur und die deutsche Siemens AG mit dem Bau von zwei neuen Doppeltriebwagen, die Ende 1990 in Brannenburg eintrafen. Ausgestattet mit modernster Technik bewältigen die Triebwagen die Bergfahrt in nur 25 Minuten und die Talfahrt in 30 Minuten. Am 17. Mai 1991 wurden die beiden neuen Züge auf die Namen „Otto von Steinbeis“ und „Prinzregent Luitpold“ getauft. Seither werden sie im regulären Betrieb eingesetzt und fahren die Wendelsteingäste sicher und komfortabel zur Bergstation. Die alte Garnitur kommt jedoch nach wie vor bei Betriebsfahrten und nostalgischen Sonderfahrten außerhalb des regulären Bahnbetriebs zum Einsatz.

Die Belegschaft der Wendelsteinbahn rüstet sich für den 100. Geburtstag der Zahnradbahn. Aufgenommen in der Bahnwerkstatt. Im Hintergrund die für die diesjährige Hauptuntersuchung zerlegte Lok 3 aus dem Jahr 1912. Im Mai 2012 feiert die Zahnradbahn auf den Wendelstein ihren 100. Geburtstag. Bereits seit Monaten wird fleißig geplant, koordiniert und die Feierlichkeiten sowie Jubiläums-Aktionen vorbereitet. Für ein Teamfoto, welches in einer Festschrift über die Geschichte der ersten Hochgebirgsbahn Deutschlands erscheinen soll, posierte nun die rund 50-köpfige Belegschaft der Wendelsteinbahn in der Bahnwerkstatt im Brannenburger Ortsteil Waching. Die Stimmung beim Fotografieren war angesichts der langen Tradition durchaus ehrfurchtsvoll: „In 50 Jahren graben unsere Nachfahren das Bild vielleicht wieder aus dem Archiv und schauen auf uns“, so der Jubiläums-Sonderbeauftragte und dienstälteste „Zahnradbahner“ Hans Vogt. In einer Ausstellung werden anlässlich des 100. Geburtstages spektakuläre schwarz-weiß Fotografien aus der Bauphase den interessanten Werdegang der Wendelstein-Zahnradbahn reflektieren. Auch das dazu gehörige Elektrizitätswerk blickt dabei auf sein hundertjähriges Bestehen zurück, denn für den Betrieb der Bergbahn wurde damals bereits ein Wasserkraftwerk gebaut.

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Die Belegschaft der Wendelsteinbahn. Foto: Peter Hofmann

Während der Festveranstaltung zur 100-Jahrfeier schilderte der ehemalige Zahnradbahn-Betriebsleiter Hans Vogt in eindrucksvollen Bildern die Geschichte vom Bau der Wendelsteinbahn und des Elektrizitätswerks. Die moderierte Veranstaltung wurde durch die Musikkapelle und den Männergesangverein Brannenburg musikalisch umrahmt. Zudem gab es eine historische Ausstellung und die Nostalgie-Zahnradbahn brachte Interessierte im Shuttleverkehr zur Besichtigung an die Wagenhalle und zum Kraftwerk der Wendelsteinbahn.

Seit dem Geburtstag der Wendelsteinbahn ist im Untergeschoss des Wendelsteinhauses eine Ausstellung zu finden, welche die Erschließungsgeschichte des Berges sowie die Entstehung der ersten Hochgebirgsbahn Deutschlands auf den Wendelstein bis heute zeigt.

Hundert Jahre Zahnradbahn
(Claudia Hinz, 19.05.2012)

Hundert Jahre Zahnradbahn
Hundert Jahr gehts scho bergan.
Otto Steinbeiß hat’s erdacht
und dies Wunderwerk vollbracht,
in nur zwei mühsamen Jahren
harter Arbeit und Gefahren,
großer Sorgfalt und viel Fleiß,
mit Enthusiasmus, Kraft und Schweiß.

Hundert Jahre Zahnradbahn
Hundert Jahr gehts scho bergan.
Und zu diesem runden Feste
wünsch ich Euch das allerbeste.
Volle Züge, gute Kasse,
immer schadenfreie Trasse
möget ihr noch ewig fahren,
selbst in 150 Jahren!